Wunderschöne Weihnachtszeit: 11. Dezember
Eremiten-Tage
Manchmal mag ich nicht mal meine Lieblingsmenschen sehen. Dann quäle ich mich einsilbig durchs Abendessen mit Mann und Kindern, lese vor, ohne zu verstehen, was ich sage, um dann, endlich, mit mir und meinen Gedanken allein zu sein. Wenn jemand mich mobil anruft, drücke ich ihn einfach weg. Meine Eremiten-Abende sind anderen nur schwer vermittelbar.
Ich war nicht immer so. Erst seit mein Leben übervoll ist mit 24-Stunden-Familie, Geschäftskontakten, Eltern von Freundinnen meiner Kinder und Bekanntschaften, halte ich die anderen manchmal nicht aus. Dann ist mir alles zu viel, ihre Geschichten, ihre lauten Stimmen. Alle wollen was von mir: Vorlesen, Kochen, Rat, Tat. Kurz bevor ich panisch um mich schlage, verstumme ich.
Die Sehnsucht nach dem Alleinsein geht bei mir seltsamerweise Hand in Hand mit dem Wunsch, wirklich dazuzugehören. Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sich gegenseitig unterstützt. Neulich habe ich etwa einen Karton mit Ausgemistetem vor die Haustür gestellt und "zum Mitnehmen" drangeschrieben. Am Abend war der Karton leer und ich glücklich. In solchen Momenten würde ich am liebsten jeden, der vorbeikommt, umarmen. In dem Schwung rufe ich dann Freunde an, die ich gern sprechen möchte. Manchmal drückt mich einer von ihnen auf dem Handy weg. "Eremiten-Tag", denke ich dann und kann das nur zu gut verstehen.
(Ein Text von Sinja Schütte
Kennst du das Gefühl einfach nur alleine sein zu wollen?
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