Rezension: Heilsame Beziehungen - Wenn christlicher Glaube und Schematherapie sich ergänzen

Heute möchte ich euch ein besonderes Buch vorstellen. 
Ich bin sehr dankbar, dass ich darauf gestoßen bin und es lesen durfte. 


Hier ist erstmal der Klappentext:

"Ein Schema ist ein unbewusster Filter, durch den wir unsere Erlebnisse wahrnehmen. Unsere Sicht auf uns selbst, auf unsere Umwelt und auf Gott wird gefärbt durch unsere Prägung, die meist aus der Kindheit stammt. Dabei gelangt alles, was unsere Befürchtungen und geprägten Lebenslügen bestätigt, ungehindert in unser Bewusstsein, während hilfreichere Botschaften ausgeblendet werden. Die Schematherapie geht diese hinderlichen Lebensmuster auf ganzheitliche Weise an.Dieses Buch stellt anschaulich dar, wie diese vielversprechende Form der Psychotherapie sich mit biblischen Wahrheiten verbinden lässt. Gottes Liebe heilt und befreit. Schematherapeutische Ansätze können helfen, diese Liebe in ihrer ganzen Tiefe und Bedeutung erfahrbar zu machen."

Geschrieben hat das Buch Dr. med Luca Hersberger

"Dr. med. Luca Hersberger ist verheiratet, Vater von vier Kindern und lebt mit seiner Familie im Gemeinschaftshaus Moosrain (www.moosrain.net). Er arbeitet als Arzt und Psychotherapeut in der Sonnenhalde in Riehen, einer psychiatrischen Klinik mit christlicher Grundhaltung. Er hat die große Leidenschaft, sein Leben und seine Tätigkeit mit dem christlichen Glauben zu verbinden und sich den damit einhergehenden Fragen aufrichtig und offen zu stellen."


Worum geht es in diesem Buch?

Die Schematherapie wurde in den 1980er Jahren entwickelt von dem amerikanischen Psychologen Jeffrey Young. Ein Schema ist ein sich wiederholendes Muster, welches immer wieder ausgelöst werden kann. Ausgelöst werden kann das Muster durch Gefühle, Gedanken, Erinnerungen und körperliche Reaktionen. Gebildet wird das Schema in der Kindheit, und im weiteren Leben wird es weiter verstärkt, im negativen Sinne. Es geht bei diesen Schemata immer um unsere Beziehung zu uns selbst und Beziehungen mit anderen.

Um das ganze zu verstehen gebe ich euch hier ein von mir kürzer gefasstes Beispiel aus dem Buch:

Eine 24jährige intelligente, aufmerksame und differenzierte Frau ist total unglücklich. Entweder sie betäubt ihre Unruhe und ihre Leere mit wilden Party's und Alkoholkonsum oder durch Überstunden beim Job. Für ein paar Stunden erreicht sie dadurch das Gefühl wertvoll zu sein. Danach wenn der Alkohol verfliegt und die Kopfschmerzen kommen fühlt sie sich furchtbar. Sie weiß, dass das nicht die Lösung für ihre Probleme sind, aber sie kommt aus diesem Muster nicht raus. Immer wieder, wenn das Gefühl der Minderwertigkeit kommt passiert das gleiche. Auch mit dem Wissen, dass Alkohol schädlich ist.

Man könnte die Frau jetzt schnell verurteilen. Die Schematherapie tut dies nicht. Sie sucht die Ursache für dieses Verhalten. Bei dieser Frau kommt im Laufe der Therapie heraus, dass sie in ihrer Kindheit emotional vernachlässigt wurde und sie Gewalterfahrungen ausgesetzt war. Sie hatte keine verlässliche Bezugsperson, auf die sie sich verlassen konnte. In den Erinnerungen an ihre Kindheit fühlt sie sich hilflos, überfordert und abgelehnt.

Diese seelischen Schmerzen versucht sie nun zu betäuben durch Leistung, um Anerkennung zu bekommen oder durch wilde Partys, um den Schmerz zu betäuben. Das funktioniert natürlich nicht.

Im weiteren Leben werden solche in der Kindheit gebildeten Schemata immer wieder aktiviert. Immer dann, wenn ein Mensch genau in dieser Wunde bohrt. Wann immer diese Frau jetzt vermittelt bekommt "Ich bin nicht wertvoll" wird dieses Schemata aktiviert und das muss vom Gegenüber noch nicht mal absichtlich herbeigeführt worden sein.

Da braucht man nur mal nicht richtig zuhören, weil man gerade eigene Probleme hat. Oder vergisst etwas für den anderen zu tun. Da reichen schon Kleinigkeiten, um das Schema zu aktivieren. Eine gesunde Seele verkraftet das, eine verletzte Seele nimmt das persönlich.

Kinder haben fünf wichtige Grundbedürfnisse:
  1. Sichere Bindung zu anderen Menschen
  2. Autonomie, Kompetenz und Identitätsgefühl
  3. realistische Grenzen gesetzt bekommen und selbst die Kontrolle innehaben
  4. die Freiheit zu haben Bedürfnisse, Emotionen und Frust ausdrücken zu dürfen
  5. Spontanität und Spiel
Ich denke alle Eltern werden mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass man es als Eltern nicht schafft immer alle diese Grundbedürfnisse der Kinder zu erfüllen. Wir sind ja nicht perfekt und haben auch schlechte Zeiten. In unserem Leben gibt es immer mal wieder schwierige Situationen, in denen wir falsch reagieren. Dann ist es wichtig, den Kindern zu erklären was passiert ist. Zu sagen, dass es nicht die Schuld des Kindes ist und auch mal um Vergebung zu bitten. 

Je nachdem welches Bedürfnis in der Kindheit verletzt wurden, eins oder auch mehrere, entstehen Bewältigungsstrategien. Welche das sind wird verständlich in dem Buch erklärt.

Es gibt folgende Bewältigungsstrategien:
  1. Erdulden: man richtet sich nach den Forderungen und Bedürfnissen anderer, eigene Gefühle und Bedürfnisse werden zurückgestellt
  2. Vermeiden: man schützt sich entweder durch eine innere Mauer, um sich vor unangenehmen Gefühlen zu schützen oder man lenkt sich ab zum Besispiel durch Kaufsucht, Drogen, Party's, übermäßiges Arbeiten und Leistung erbringen, Freizeitaktivitäten, Pornografie
  3. Kompensieren: andere Menschen werden angegriffen, entwertet und verletzt, um Macht und Kontrolle zu haben. Übermäßige Kontrolle und Perfektion, übermäßiges Bestreben nach Aufmerksamkeit und Anerkennung.
Jeder Leser kann dann gut erkennen, welche Muster er selbst anwendet oder auch Personen aus seiner Umgebung und versteht dann das Warum und Wieso. Das Warum und Wieso hat mir geholfen Menschen zu vergeben, die mir aufgrund ihrer Muster weh getan haben. Und ich kann nun lernen mich und meine Reaktionen zu verstehen, zu akzeptieren und zu ändern.

Sehr interessant finde ich auch das Kapitel Schematherapie und christlicher Glaube. In diesem Kapitel verbindet der Autor die Schematherapie mit der Bibel, und zeigt uns wie sehr Gott uns liebt und wie diese Liebe unsere Seele heilen kann.

Das geheilt werden ist sehr wichtig, denn unserer Bewältigungsstrategien zerstören Beziehungen. Wir müssen unseren inneren Kritiker zum Schweigen bringen. Wie das in der Praxis funktioniert wird auch im Buch erläutert. 

Ich könnt bei diesem Buch noch ewig weiterschreiben, selbst diese Rezension zu schreiben ist für mich wieder ein Lernprozess. Wer sich dafür interessiert wird mit diesem Buch bereichert werden. Für mich waren noch interessante Themen:
  • Welches Gottesbild trage ich in mir? Ist Gott ein liebender Gott oder ein strafender Gott? Liebt Gott mich wirklich so wie ich bin? Trotz der vielen Fehler, die ich jeden Tag wieder mache?
  • was passiert, wenn ich als Christ verurteilend, moralisierend und überheblich bin? Welches Bild von Gott gebe ich damit an meine Mitmenschen weiter?
  • Gottes Gesetze sind Gesetze der Liebe, sie sollen uns frei machen und beschützen vor Konsequenzen, die uns schaden. Eltern geben auch Regeln an ihre Kinder weiter, aus Liebe, um sie zu beschützen vor Gefahren.
  • Selbstaufopferung in Beziehungen ist schädlich und hat nichts mit Nächstenliebe zu tun. Die Aufopferung geschieht nur aus Angst abgelehnt oder verlassen zu werden. Nur wenn ich als Motivation Liebe empfinde handelt es sich nicht um eine Bewältigungsstrategie, um mich selbst zu schützen
  • Vergebung üben und nicht an der Rache festhalten: "Wenn wir an unserer Rache festhalten, machen wir uns damit abhängig von den Verantwortlichen, den Tätern, den Umständen, die uns Leid zugefügt haben. Diese Abhängigkeit hat zur Folge, dass wir uns letztlich hilfloser und handlungsunfähiger fühlen, was meist unsere ohnmächtige Wut noch verstärkt- Aus schematherapeutischer Sicht werden wir verletzt und schützen uns daraufhin, indem wir uns in Rachegedanken vertiefen, uns in unser Elend zurückziehen oder schulterzuckend erdulden, dass man mit uns so umgeht." Diese Bewältigungsstrategie führt dazu, dass wir uns weiter aus der Beziehung zu anderen, uns selber und Gott wegführen. "Vergeben heißt, das Recht auf Vergeltung aufzugeben, loszulassen und den gerechten Vaterhänden zu überlassen. Vergeben bewirkt, dass ich aus der hilflosen, von anderen abhängigen Opferrolle wieder zurück in meine Eigenverantwortung kommen kann. Vergebung ist aber nicht gleichzusetzen mit Versöhnung. Es bedeutet nicht, dass die Beziehung zwischen dem Opfer und dem Täter geklärt und bereinigt ist. Und es bedeutet auch nicht, dass ich mich erneut dem Täter aussetzen muss und meine Grenzen erneut übertreten lassen muss. Um vergeben zu können, ist es wichtig, den Tatbestand der vorhandenen Schuld mit seinen emotionalen und anderen Folgen anzuerkennen und diesen anzuklagen. Wenn wir dem christlichen Reflex folgen und sogleich vergeben wollen, ohne die Folgen der Verletzung zu sehen, sind wir in Gefahr, eine Abkürzung zu nehmen, die uns überfordert." Diese Strategie wird gerne gewählt, um den Schmerz nicht mehr ertragen zu müssen, aber wir werden nicht frei von den Verletzungen. Das schaffen wir nur durch eine echte und klare Anklage.
Ich habe bei dem Thema der Vergebung viel zitiert, da mir gerade dieses Thema sehr am Herzen liegt. Ich glaube besonders Christen denken oft vergeben heißt vergessen, dass funktioniert aber nicht.

Ich könnte euch hier noch soviel schreiben und zitieren, daran merkt man wohl wie mich dieses Buch begeistert. Ich kann euch dieses Buch aus vollstem Herzen empfehlen.

Falls etwas unverständlich ist oder falsch erklärt freue ich mich auf Hinweise. Komplexe Themen sind manchmal doch ganz schön schwer zu erklären.


Meine Lieblingszitate aus diesem Buch:



"Es gibt nichts was wir tun könnten, um vom Vater mehr geliebt zu werden - es gibt aber auch nichts, was wir tun können, dass wir von ihm weniger geliebt wären."



"Nächstenliebe heißt, einander echt zu begegnen, den anderen echt zu sehen und ihm echt zu helfen. Wenn unser Gegenüber echt wird und dies in einer vertrauensvollen Beziehung zum Ausdruck bringen kann, öffnet sich unser Herz und wir können Anteil nehmen am Innersten unseres Nächsten. Dieses Gesehenwerden bzw. Sehen, ist sowohl für Geber als auch für Empfänger ein wundersames, göttliches, heilsames Prinzip. Solange unser Gegenüber aber am Bewältigen ist, sich durch Leistungen, Masken, Ablenkung oder Schuldzuweisungen schützt, fällt es uns schwerer, das Echte dahinter zu sehen."




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